Posthume Euphonie des Rauschens

Ulrich Ellers umfangreiche Serie von kommentierten Monotypien beschreibt Klang. Es sind Verbildlichungen der Erinnerung an das Rauschen der Pappeln, Bäume, die gefällt wurden um einem Bauvorhaben zu weichen.

Der Abdruck der horizontalen Schnittflächen, die beim Zersägen der Stämme entstehen, ist der Ausgangspunkt der Arbeiten, erweitert um Kommentare zu den Hörerlebnissen dieser oft sehr großen Bäume mit ihrer ausladenden Akustik.

Die Drucke stehen für ein Zuhören, welches in der Vergangenheit stattfand: eine Erinnerung an intensive Hörerlebnisse, an das Rauschen von Blättern bewegt im Wind.

Es ist die Erfahrung dynamischer Klangräume unter Blättern in kollektiver Bewegung, als ein weittragendes Geräusch, im akustischen Gedächtnis des Künstlers.

Eröffnung am Samstag, dem 1. Oktober 2022, 17 Uhr
Einführung und Gespräch: Norbert Weber und Ulrich Eller



pause im schauen

Der 1951 in Düsseldorf geborene Künstler René J Goffin, präsentierte sein Werk seit Beginn der 1980er Jahre auf zahlreichen Ausstellungen vor allem in Dänemark und Deutschland. Eine retrospektiv angelegte Schau seiner Arbeiten wurde unter dem Titel „Dirt and Imagination“ 2012 parallel in den Museen in Flensburg und Tønder gezeigt. Kennzeichnend für das Werk René J Goffins ist seine Auseinandersetzung mit außereuropäischen Kulturen, zu der er durch zahlreiche Reisen und ein ergänzendes Studium der Ethnologie und Austronesistik fand.

Es ist ein besonderes Kennzeichen von Goffins Kunst, dass der Künstler die Farben selbst in ihren Möglichkeiten erprobt, sich ihrer Fließeigenschaften oder Dichte bedient, sie auf seinen Bildern kommunizieren lässt: Getropft, geschüttelt, gezogen, gerakelt, fließend, stockend, schwimmend, auftreibend, versinkend erscheinen die Farben auf der Leinwand als Flecken, Lachen, Schlieren. Die Bilder erhalten ihr glänzendes Aussehen nicht durch einen Schlussfirnis sondern durch die Überlagerung der zahlreichen Acrylfarbschichten. Unter der spiegelnden Oberfläche herrscht souverän das Reich der Malerei – nur den eigenen Gesetzen verpflichtet. Seine neuen hellen und offenen Malereien charakterisiert René J Goffin selbst als „pause im schauen“.

Ambient Video

Stell dir vor, du befindest dich in einem Raum mit einem Monitor, auf dem ein Video läuft, das so unaufdringlich ist, dass du es einfach ignorierst. Hin und wieder hast du jedoch Lust, dich mit ihm zu beschäftigen. In einem Moment der Muße realisierst du, dass da kein abgedroschenes Stück läuft. Du wirst aufmerksam, ohne von einem Drama getrieben zu werden, dem du dich nicht entziehen kannst. Es ist leicht, sich wieder anderen Dingen zu widmen. Die Angelegenheit ist unkompliziert, aber nicht geistlos.

Videokunst ist in Ausstellungen besonders von Zeitmangel betroffen. Mit unserem Angebot soll dieser Kunstform Raum gegeben werden. Wir bieten Leihkunden der Artotheken in Schleswig-Holstein und Hamburg die Gelegenheit, mit Videokunst zu leben. Die Videos werden dabei nicht nur von den Entleihern selbst, sondern auch von Familienangehörigen, Angestellten und Besuchern mitbenutzt.

Artotheken verleihen ausschließlich originale Werke aktueller Kunst kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr. Ambient Videos im Verleih.

Artothekenverband Schleswig-Holstein und Hamburg e.V.
Jungfernstieg 10
Bootshaus am Südstrand
24340 Eckernförde
Telefon 04351 712500
E-Mail fortbildung@artothek.org

Spiegelung des Nordens

Werke von Helgi Thorgils Fridjónsson, Tuomo Manninen and Kain Tapper

Die Kunst des Geschichtenerzählens genießt in Nordeuropa hohes Ansehen. Perspektive, Stimme, Bewusstsein und Fokus der Künstler entfalten sich unter subarktischen Bedingungen in besonderer Weise. Die Unvorhersehbarkeit und die extremen Lebensbedingungen, die hier herrschen, haben viele Künstler zu Werken von großer Eindringlichkeit inspiriert.

Es gibt Bilder, in denen ganze Geschichten aufscheinen. Sie fassen zusammen, was den Erzähler bewegt: „Ihre Blicke trafen sich, er auf dem Pferd auf dem Weg nach Norden, sie im Zug unterwegs nach Süden.“ Welches Bild wird durch diese Geschichte hervorgerufen? Die Darstellungen können unterschiedlich sein. Dennoch sind sie alle wahr, wenn sie nur der individuellen Vorstellung entsprechen.

Die Geschichte eines Augenblicks stammt von Helgi Thorgils Fridjónsson, dem Maler des Titelbildes der Ausstellung. Kain Tappers Blick auf die „Pfoten“ ist darauf zurückzuführen, dass er sich vollständig in die Perspektive eines Tieres zu versetzen vermag. Tuomo Manninen schließlich gelingt es mit seinen Fähigkeiten als Regisseur, Inszenierungen zu schaffen, die das Geheimnis des inneren Zusammenhalts einer Gruppe auf den Punkt bringen.

Artothek und Galerie wieder geöffnet

Graffiti Streetart Portugal

„Kunst gehört zur Grundversorgung“ behauptet Marcus Woeller, freier Mitarbeiter im Feuilleton der Zeitung „Die Welt“, und erntet in einer Reihe von Retweets Widerspruch, der vom lapidaren „Äh. NEIN!“ über den Einwand „Sport auch!“ bis zur apodiktisch vorgetragenen Forderung „Nur die Bratwurst gehört zur Grundversorgung“ reicht.

Wie dem auch sei, die Versorgung mit Kunst ist uns ein Anliegen, das wir mit den Lockerungen der Corona-Maßnahmen wieder anbieten können. Denn ab dem 4. Mai dürfen Museen und Ausstellungen wieder öffnen. Die Besucherzahl ist auf eine Person pro 15 Quadratmeter begehbarer Ausstellungfläche begrenzt. Gerechnet auf die Größe unserer Räume in Galerie und Artothek sind das maximal 5 Personen.

Auf Führungen von Gruppen und auf Ausstellungseröffnungen müssen wir leider weiterhin verzichten. Dafür bieten wir aber individuell geführte Besuche, die gerne auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten (Mo-Fr 15-18 h) telefonisch (04351 712500), per E-Mail (cult@nordcult.de) oder über das Formular auf unserer Homepage (https://nordcult.de) vereinbart werden können.

Die Ausstellung „vielhändig“ mit Monotypien von René J Goffin und Michael Jäger, die in den vergangenen Wochen geschlossen war, geht weiter bis Anfang Juni.

Darüber hinaus werden alle Leihvorgänge in der Artothek ohne Gebühren um 12 Monate verlängert. Wer einen Tausch bevorzugt, sollte auch hier einen Termin vereinbaren, damit vorher die notwendigen Vorkehrungen für Abstand und Hygiene getroffen werden können.

Kunstwerke erschließen sich nur in der Auseinandersetzung mit Originalen.

vielhändig

Zwei Malerfreunde, René J Goffin (Kiel) und  Michael Jäger (Köln), haben im letzten Sommer in einer einwöchigen Arbeitsphase in der Druckerei von Norbert Weber an Monotypien  gearbeitet. Die Werkstatt wurde zum Labor, in dem die enge Zusammenarbeit von drei an dem „Experiment Monotypie“ an ein und demselben Werk Mitwirkenden zu unerwarteten Ergebnissen führte.

Das Verfahren, auf einem Malgrund zu arbeiten, auf dem die Farbe nicht haftet, um die Malerei anschließend auf Papier zu drucken, wirft Fragen auf. Warum malt der Künstler nicht direkt auf ein aufnahmefähiges Trägermaterial? Welchen Sinn macht das Drucken, wenn nur ein Abzug gemacht werden kann? Ist es nicht Zweck des Druckens, Vorlagen zu vervielfältigen?

Die beste Auskunft geben die Arbeiten selbst. Die Wirkung der Monotypien ist intensiv, ihre Ästhetik unvergleichlich.

Amanda Ziemele: Neunauge

Amanda Ziemele (1990) lebt und arbeitet in Riga. Sie betrachtet ihre künstlerische Praxis als ein offenes Feld. Im Mittelpunkt ihres Interesses steht die formale Qualität der Malerei. Sie ist die Quelle für weitergehende Vorstellungen und Assoziationen.

Die Künstlerin hat im Jahr 2018 das Diplomstudium an der Hochschule für Bildende Künste Dresden in der Klasse interdisziplinäre und experimentelle Malerei bei Chistian Sery abgeschlossen. Ihr Diplomprojekt Gaining Ground hat vom Freundeskreis der HfBK den Diplompreis 2018 erhalten.

Anschließend wurde sie für den Startpoint Prize 2018 nominiert. Der Preis, der sich an Absolventen von Kunsthochschulen richtet, hat sich in den sechzehn Jahren seines Bestehens von einer nationalen Ausstellung von Diplomarbeiten zu einem prestigeträchtigen internationalen Projekt entwickelt, bei dem jährlich die herausragendsten Talente aufstrebender Künstlergenerationen aus verschiedenen europäischen Ländern vorgestellt werden.

In der Ausstellung mit dem Titel Neunauge befasst sich Amanda Ziemele erstmals mit dem Verfahren der Monotypie.

Videokunst aus Lettland

Am 23. November 2019  bietet die Galerie NEMO zwischen 18 und 20 Uhr im Rahmen der städtischen Veranstaltungsreihe der „4 Langen Nächte“ ein Video-Screening mit einer Auswahl von Produktionen aus Lettland.

Die Medienkunst aus dem baltischen Staat verdankt ihre internationale Wertschätzung der ausgezeichneten Ausbildung an der Abteilung für visuelle Kommunikation der Kunstakademie in Riga. Die Zusammenstellung reicht von Zeichentrickfilmen über Experimentalstreifen bis zu poetischen Videoloops.

Unter dem Motto „Banküberfall und andere Dramen“ werden u. a. Videos von Nils Jakrins, Katrīna Neiburga, Dace Džeriņa, Ģirts Korps und Evelīna Deičmane gezeigt.

Mica Cabildo: Monotypien

Mica Cabildo, geboren 1986 in Metro Manila/Philippinen arbeitet mit Installationen, Fotografie, Video und grafischen Arbeiten. Während ihres Arbeitsaufenthalts im Schleswig-Holsteinischen Künstlerhaus schuf sie in Zusammenarbeit mit dem Drucker Norbert Weber eine Serie von Monotypien.

Diese wurden Teil der Präsentation zum Abschluss ihres Stipendiums, einer raumgreifenden Arbeit mit dem Titel „Tropical Gothic: Doublegoer“. Die Installation reflektiert Themen wie steigende Meeresspiegel, Sturmfluten, Doppelgänger und Spiegelungen.

Die Monotypie mit dem Titel „Pag-Hampas Ng Alon“ („Große Sturzwelle“) ging in die Sammlung des Artothekenverbands Schleswig-Holstein.

Carsten Höller „Vertigo“

Eingeklemmt zwischen Boden und Decke steht eine eiserne Säule, von der in Augenhöhe zwei Arme horizontal etwa einen Meter kreuzförmig nach außen weisen. An den Enden hängen zwei im traditionellen Lehmformverfahren gegossene Glocken. In der „Basis“ befindet sich ein elektrischer Antrieb, der über ein Steuermodul die Säule in eine Drehung um die eigene Achse versetzt. Bei Beginn der Rotation werden die beiden Glocken zum Klingen gebracht, wenn die Klöppel eine senkrechte Stange passieren. Mit zunehmender Geschwindigkeit werden die Glocken durch die Zentrifugalkraft angehoben, so dass die Klöppel nicht mehr anschlagen. Erst beim Abbremsen kommt es wieder zum Anschlagen der Klöppel.

Carsten Höllers Konstruktion von 1997 zeichnet sich dadurch aus, dass sie das Postulat von der Autonomie des Kunstobjekts hinterfragt und es in seiner Abhängigkeit von den Menschen vorstellt, die sich mit ihm beschäftigen. Die ästhetische Erscheinung ist nicht eigenständig und dauerhaft festgeschrieben; sie ist variabel und den durch die Partizipation der Besucher ausgelösten Interdependenzen unterworfen. Nicolas Bourriaud hat die Bedeutung dieser relationalen Ästhetik untersucht. „Form existiert nur in der Begegnung und in der dynamischen Beziehung“.